Coburger Tageblatt, 13. Juli 2016
Klassische Musik ist so cool
Interview Mit seinem Aramis-Trio veranstaltet Landestheater-Konzertmeister Martin Emmerich erstmals in Coburg das Festival "Klanggrenzen".
Was die drei Musiker als Veranstalter bereits erlebt und was sie im nächsten Jahr schon geplant haben, erzählen sie im Gespräch.
Coburg - Das Programm ist bemerkenswert ehrgeizig. Zahlreiche Schul-Veranstaltungen und vier Konzerte an wechselnden Orten in Coburg umfasst das Festival "Klanggrenzen", das von den Musikern des Aramis-Trios organisiert wird.
Wer ein Festival veranstaltet, braucht eigentlich eine entsprechende Infrastruktur für die Organisation. Wie sieht das im Falle Ihrer „KLANGGRENZEN“ aus?
Emmerich: Soll ich Ihnen ein Foto von meinem Schreibtisch schicken (lacht)... Leider ist da schon was dran; natürlich helfen uns die Kulturabteilung der Stadt Coburg, das Landestheater Coburg und andere Veranstalter wie zum Beispiel die Musikfreunde und geben uns Input und helfen beim Kontakte knüpfen. Dieses Jahr haben wir die organisatorischen Aufgaben innerhalb unseres Klaviertrios verteilt; inzwischen haben wir aber bereits den Verein KLANGGRENZEN e.V. gegründet - da wissen die Mitglieder wahrscheinlich noch gar nicht genau, was auf sie zukommt... Mich zum Beispiel hat das Festival in den letzten sechs Monaten etwa drei Stunden am Tag beschäftigt. Eine Arbeit, die sich zu lohnen scheint: Wir bekommen jetzt schon so viele positive Rückmeldungen und Kartenvorbestellungen für die Festivalkonzerte, dass wir nur staunen können.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen bei der Vorbereitung Ihres Festivals in Coburg: Welche Unterstützung/Anregung haben Sie erhalten?
Wankmüller: Unsere erste Anlaufstelle war die Kulturabteilung der Stadt Coburg. Frau Hofmann hatte ein offenes Ohr für unser verrücktes Anliegen und hat uns gleich mit Infomaterialien überschüttet - beispielsweise gab sie uns eine Liste mit über 40 möglichen Spielorten; da haben wir in den nächsten Jahren einiges zu tun...
Emmerich: Natürlich würden wir uns noch viel mehr Vernetzung mit den anderen Kulturschaffenden und -institutionen wünschen. Zwar hat uns das Landesthater Coburg dankenswerter Weise die Reithalle für ein Konzert zur Verfügung gestellt und ein Kooperationsprojekt mit den Musikfreunden Coburg ist angedacht; aber die Möglichkeiten der Zusammenarbeit könnten noch viel weiter gehen: gemeinsam organisierte Kinderkonzerte, ein Mitmachorchester mit Schülern der Musikschule, Tanzprojekte und und und... Unsere Fantasie ist längst nicht erschöpft.
Sie haben erste Erfahrungen als Kulturveranstalter bereits mit zwei Festivals in Karlsruhe gesammelt. Was war für Sie der Auslöser, als ausführender Künstler gleichsam die Seite zu wechseln und selbst zum Impresario zu werden? Und was war der entscheidende Impuls, die Idee zu diesem Festival auf Coburg zu übertragen?
Reich: Vielfältige Gestaltungsmöglicheiten. Und das in jeder Hinsicht: Wir wollen junge Menschen für die Unmittelbarkeit von klassischer Musik begeistern, wir wollten etwas Neues und Einmaliges schaffen; die Verbindung von Kunstformen, wie sie in unseren Konzerten passiert, werden so nirgendswo anders erleben. Ich komme ja nicht aus Coburg, aber durch unsere Trioproben bin ich oft zu Gast in dieser schönen Stadt und denke mir immer wieder: Toll, welchen zentralen Stellenwert das Landestheater in der Stadt einnimmt und wie kulturinteressiert hier alle sind. Daher war für mich klar: Coburg ist DIE Stadt, in der wir etwas Neuartiges wagen können.
Sie bieten neben den vier Kammerkonzerten auch eine Reihe von Schülerkonzerten an. Wie wichtig ist Ihnen gerade auch dieser Aspekt des Festivals?
Wankmüller: Ich denke jetzt einfach mal an meine eigenen ersten Erfahrungen mit klassischer Musik. Es waren immer junge, engagierte Musiker, die mir gezeigt haben, dass Klassische Musik cool sein kann und eine immense Sogkraft hat. Dass ein Klaviertrio von Schubert oder Schostakowitsch einen mehr fesseln kann als ein Kinofilm. Wir wollen als noch junges Ensemble genau da ansetzen: Rein in die Kindergärten und Schulen! Wir wollen Kindern und Jugendlichen hautnah zeigen, wie wir beim Musikmachen Freude versprühen und uns musikalisch austauschen und ergänzen. Wie wir aufeinander hören und musikalisch streiten. Wie sich die Klänge von verschiedenen Instrumenten ergänzen und zusammen wie ein Orchester wirken.
Außerdem wollen wir durch ungewohnte Spielorte junge Zuhörer gewinnen. Konzerte in Fabrikhallen, in Clubs und Cafés - alles ist möglich.
Sie sind im Falle der „KLANGGRENZEN“ nicht nur Veranstalter, sondern auch Interpret. Wie schaffen Sie es, Zeit für das musikalische Üben zu haben?
Wankmüller: Durch die hervorragende Vorarbeit von Martin (Emmerich)...
Emmerich (lacht): Wenn ich Ihnen jetzt noch verrate, dass ich jetzt noch ein Haus baue und bald Nachwuchs erwarte - erklären Sie mich dann für verrückt? Die nächsten zwei Wochen werden auf jeden Fall hart: Täglich sind drei Proben von drei Stunden Länge, vorher noch Kinderprojekte und abends sind dann noch Organisations-sessions angesetzt.
Reich: Als alter Schwabe sag ich dazu nur: Schaffe, schaffe, Häusle baue. Schlafen tu ich erst im Ruhestand...
Sie sind im Endspurt vor dem Auftaktkonzert am Samstag, 16. Juli: Wann wäre das Festival aus ihrer Sicht ein Erfolg?
Wankmüller: Das ist es doch jetzt schon (schmunzelt) - wir haben im Vorverkauf bereits über 100 Tickets verkauft sowie weitere 100 Vorbestellungen übers Internet. Mit so einem Zuspruch hätten wir im ersten Jahr gar nicht gerechnet...
Reich: ..., was wieder für die Coburger spricht! Außerdem erreichen wir bereits im ersten Jahr 650 Kinder und Jugendliche mit unseren Projekten - das muss und erst einmal jemand nachmachen.
Ausblick: Sie haben bereits die zweite Auflage für 2017 angekündigt. Was konkret ist bereits geplant?
Emmerich: Bevor ich Ihnen etwas über das kommende Jahr verrate, eine Herzensangelegenheit in eigener Sache: Die wenigsten Tickets wurden bisher für den 19. Juli verkauft. Dabei ist dieses Konzert mit Werken von Schubert und Mahler mit schauspielerischen Einlagen das Schönste der Programme. Aber wir werden natürlich schauen, was in diesem Jahr besonder gut angenommen wird. Geplant sind für 2017 beispielsweise ein Konzert mit dem ARD-Preis prämierten Armida Quartett, ein gruseliges Programm über Edgar Allen Poe, ein Tanzprojekt mit Tänzern des Landestheaters Coburg. Auch andere Sinne möchten wir ansprechen und Musik mit Wein kombinieren und Sie ins Kino entführen. Insgesamt werden es hoffentlich acht Konzerte - alles natürlich davon abhängig, wie viele Unterstützer wir finden. Momentan haben wir noch das Problem, dass wir Zusagen von Sponsoren und Stiftungen nur für jeweils ein Jahr erhalten. Hätten wir einen Hauptsponsor, der uns für die nächsten fünf Jahre einen Großteil der Kosten finanzieren würde, könnten wir noch ganz anders planen und Ihnen jetzt schon detailliert mitteilen, was Sie kommendes Jahr zu hören bekommen.
Das Interview führte Jochen Berger